True Crime lese ich tatsächlich gerne, doch bisher hat sich mein Leseverhalten auf klassische Nacherzählungen beschränkt. Dieses Buch ist anders. Und es ist verdammt gut.
Starten wir mit dem
Klappentext
2014 verschwinden Kris Kremers & Lisanne Froon im Regenwald von Panama. 2024 wird der mysteriöse Cold Case neu untersucht und bewertet.
Am 1. April 2014 kehrten die niederländischen Touristinnen Lisanne Froon und Kris Kremers nicht von ihrer Wanderung auf dem Pianista Trail zurück. Zehn Jahre später hat sich ihr Fall durch immer neue Indizien und Theorien zu einem der mysteriösesten True-Crime-Fälle der Welt entwickelt. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass ein neuer Podcast erscheint. Internet-Detektive streiten erbittert darüber, ob ein Unfall oder ein Verbrechen zum sicheren Tod der Frauen geführt hat. Journalisten versuchen, die Deutungshoheit zu erlangen. Nur einer Handvoll ist es bisher gelungen, die als geheim eingestuften offiziellen Ermittlungsakten einzusehen. Sie kommen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Ein 2021 erschienenes Buch unter Mitwirkung der damals ermittelnden Staatsanwältin versucht, die Unfalltheorie zu untermauern, geht dabei sehr selektiv vor und klammert eindeutige Hinweise auf ein Verbrechen aus. Eine zum internationalen Bestseller avancierte True-Crime-Podcast-Serie hingegen greift 2022 eine seit Langem kursierende, abstruse Verbrechenstheorie auf und manipuliert damit bewusst ihre Hörer.
Auswertung der Ermittlungsakten, Expeditionen in den Regenwald, neue Zeugen und Hinweise
Die Investigativjournalisten Christian Hardinghaus und Annette Nenner konnten nun erstmals die offiziellen Ermittlungsakten und forensischen Gutachten wissenschaftlich auswerten und räumen mit den Falschinformationen beider Seiten auf. Ihre akribische Arbeit basiert auch auf intensiven, fünfmonatigen Recherchen vor Ort. Alle wichtigen Zeugen wurden noch einmal persönlich befragt und neue Indizien gesammelt. Nenner erkundete zudem Tag und Nacht den panamaischen Nebelwald und spürte den Spuren nach, die Kris und Lisanne gegangen sein könnten.
Verschollen in Panama erzählt den Fall nicht neu, aber spannender und detailreicher als je zuvor. Die Autoren sortieren die unpassenden Teile eines der größten Puzzles unserer Zeit aus und fügen gleichzeitig wichtige hinzu, um die weitere Aufklärung des Cold Case in Gang zu bringen.
Zum zehnten Jahrestag der Tragödie auf dem Pianista Trail ist dieses Buch eine Hommage an die unermüdliche Suche nach Antworten, eine Hommage an zwei Leben, die viel zu früh beendet wurden, und ein Muss für alle, die sich für echte Kriminalfälle und ungelöste Rätsel interessieren.
Eigene Meinung
Ein True-Crime-Buch, das seine Bezeichnung wirklich verdient – nicht reißerisch, nicht sensationsheischend, sondern mit ehrlichem Aufklärungswillen, journalistischer Gründlichkeit und großer Empathie geschrieben.
Im Mittelpunkt steht das Verschwinden von Kris Kremers und Lisanne Froon, zwei niederländischen Studentinnen, die 2014 im panamaischen Dschungel verschwanden. Ein Fall, der seither unzählige Spekulationen, Gerüchte und Theorien hervorgebracht hat – aber kaum fundierte Aufarbeitung. Bis jetzt.
Denn was Annette Nenner und Christian Hardinghaus in monatelanger Arbeit geleistet haben, ist beeindruckend. Nenner reist selbst nach Panama, nicht nur einmal, sondern mehrfach. Sie spricht mit Menschen vor Ort, mit möglichen Augenzeugen, Bekannten, Helfern – und mit dem Dschungelführer, der von vielen bis heute als Hauptverdächtiger gilt. Sie läuft selbst mehrfach den Pianista-Trail, auf dem die beiden Mädchen zuletzt gesehen wurden. Dabei nimmt sie den Leser mit – mitten in den Urwald, mitten in die Unsicherheiten, Fragen und Widersprüche, die den Fall so komplex machen.
Währenddessen sichtet Christian Hardinghaus akribisch alle verfügbaren Akten, Protokolle, Polizeiberichte und Fotos. Die Menge an Material ist erdrückend – und genau deshalb so wichtig. Denn das Buch verzichtet bewusst auf vorschnelle Schlüsse. Stattdessen rekonstruieren die beiden Autoren nicht nur den offiziell bekannten Ablauf des Falls, sondern nehmen sich jede kursierende Theorie vor: von naheliegenden Hypothesen bis hin zu wilden Verschwörungserzählungen. Und das Beste daran: Jede Theorie wird mit denselben Maßstäben gemessen. Objektiv, gründlich, respektvoll. Wo etwas nicht belegbar ist, wird es klar benannt. Wo sich Schwächen in der Argumentation zeigen, werden sie offen gelegt – selbst wenn es um populäre Podcasts, Reportagen oder Internetmythen geht.
Der Ton bleibt dabei stets sachlich. Dieses Buch will nicht polarisieren oder entlarven – es will aufklären. Und genau das tut es. Es bleibt dabei immer auf Augenhöhe mit seinen Leser:innen und verzichtet auf Sensationshascherei. Vielmehr geht es um Wahrhaftigkeit und Aufklärung – um das Erzählen einer Tragödie, die nie zu einem spekulativen Krimi hätte werden dürfen.
Besonders gelungen sind die persönlichen Logbucheinträge von Annette Nenner, die nicht nur die Reise dokumentieren, sondern auch die emotionale Seite dieses Projekts sichtbar machen. Die Begegnungen mit den Menschen vor Ort, die Hindernisse und Fragen, die sie begleiten – all das bringt ein großes Maß an Menschlichkeit in eine Geschichte, die oft entmenschlicht wurde.
Wer sich für den Fall interessiert, findet hier keine simplen Antworten – aber sehr viele Fakten, Zusammenhänge und fundierte Einschätzungen.
Ein Muss für alle, die nicht nur an der Oberfläche kratzen wollen. Und für alle, die sich wünschen, dass True Crime endlich wieder das bedeutet, was es ursprünglich war: sorgfältige Recherche, differenzierte Perspektiven und Respekt vor den Betroffenen.
Fakten
Titel: Verschollen in Panama – Die wahre Tragödie vom Pianista Trail
Autor: Christian Hardinghaus & Annette Nenner
Preis: Paperback 19,88 € / Ebook 9,99 €
Hier erhältlich*: https://amzn.to/3YxNBaH
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